Vorbereitung der Nord-Peru-Expedition

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Vorbereitungs-Reise für die neue Freundeskreisreise

nach Nord-Peru,  im April 2012

     1. Vorbereitung:   Lima - HuarazChachapoyas - Yurimaguas
       2. eigene Erkundung:  
Pucallpa;    Ayacucho und Leuchtender Pfad

 

Sonntag  1.April 2012         Peru: Lima;  und Huaraz im Andenlängstal:

liebe leute,

kaum aus asien (s.
dort) zurück in berlin, bin ich nun also schon wieder auf der anderen seite des planeten, diesmal auf der südhabkugel, vorerst in peru.  hier will ich die pilotreise unserer schon lange ausgebuchten nord-peru-expedition im kommenden september vorbereiten, denn alle agenturen, hotels, transfers etc pp wollen unter vertrag gebracht werden..

das muss ich ökonomisch gestalten, und so habe ich einen billigen flug genommen. damit war ich ab donnerstag bis freitag mittag schlappe 24 stunden unterwegs (einschließlich 7 stunden zeitgewinn), mit 3 längeren aufenthalten in frankfurt, santo domingo und panama. leider haben sie mein gepäck in panama stehen lassen  - 4 stunden umsteige- und wartezeit dort waren offenbar nicht genug für ein ordnungsgemäßes umladen..
 
als es dann mit dem spätflug gegen 22:00 uhr in lima ankam, waren sie "aus sicherheitsgründen" nicht in der lage, es mir sofort ins hotel zu bringen, und am samstag früh hatten sie wieder irgendein problem damit, so dass ich schließlich selbst zum flughafen fuhr und es persönlich abholte, um weitere verzögerungen zu vermeiden.  immerhin gaben sie mir mein fahrgeld zurück..
 
da ich freitag nachmittag schon alles in lima erledigt hatte, bin ich am samstag nach dem flughafen-gepäckabholen sofort zum busbahnhof und gleich mit dem nächsten bus um 11:00 nach zentralperu weitergefahren, wo ich bei dunkelheit eintraf.

schöne fahrt entlang der küstenwüste mit riesigen sanddünen, die direkt ins meer abfallen,
und dann rauf in die anden, über einen 4.000 meter hohen pass ins andenlängstal nach huaraz auf 3.000 meter höhe.  mir brummt direkt der kopp von der plötzlichen höhe..
 
inzwischen ist sonntag früh, und ich hab gleich ein date mit meiner hiesigen agentur. 
leider scheint es das schöne haciendaartige hotel, welches thabi und ich letztes jahr für die gruppe ausgeguckt haben, nicht mehr zu geben.  da muss ich wohl gleich eine passende alternative suchen..
 
vorerst sonnige grüße aus huaraz im grünen andenlängstal zwischen cordillera negra und den gletscherglitzernden gipfeln der cordillera blanca, 
thomas

 

Montag   2.April 2012          Trujillo, Chiclayo, Cajamarca:

liebe leute,

also das haciendaartige hotel in huaraz gibt es sehr wohl noch und hab ich jetzt auch gleich unter vertrag genommen:  das war die konkurrenz, die mich unauffällig in ein anderes hotel umleiten wollte..  ;) 

hab dann dort alles klar gemacht am huascaran, dem höchsten berg perus, und bin letzte nacht wieder runter an die küste in die ehemalige peruanische kolonial-hauptstadt trujillo.  hier morgens auch alles klar gemacht, dann weiter nach chiclayo, dito, und dann tatsächlich noch wieder rauf in die anden, wo ich euch jetzt aus dem hübschen kolonialhotel in cajamarca schreibe (dort, wo die spanier den letzten inka atahualpa gefangen nahmen).  das lösegeldzimmer werden wir hier ja auch besuchen: wo atahualpa einsaß, er wollte für seine freilassung das zimmer so hoch er reichte mit gold füllen lassen -  das haben die spanier gern angenommen, ihn nach erfüllung dann aber doch lieber umgebracht, um den inka-widerstand zu brechen..

morgen früh gehts weiter in die hintersten ritzen der anden, nach leymebamba und chachapoyas, zu den wolkenkriegern.  wenn es so flott weiter geht bin ich in einer woche durch statt in den vorgesehenen drei wochen..  ;) 

bald wieder mehr,
bis dahin ganz liebe grüße aus den hohen anden,
thomas

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Samstag  8.April 2012         Chachapoyas: Wolkenkrieger; und
                                   Yurimaguas:  Tor nach Amazonien

liebe leute,

tatsächlich: ich habe es in einer statt drei wochen geschafft und bin nun schon in yurimaguas mitten in amazonien (oberlauf). 

von cajamarca aus ging es zunächst auf haarsträubenden pisten in die anden-ostcordilleren-nebelwaldregion zu den "wolkenkriegern" bei leymebamba und chachapoyas. hier wollen wir die hinterlassenschaften dieser inka-gegenspieler auf abgelegenen schwer zugänglichen berggipfeln und in schwindelnden abgründen erkunden. die unterkünfte waren schnell unter vertrag  - einmal musste ich etwas suchen und mich mit verschiedenen verkehrsmitteln bis pedro ruiz, einem einsamen marktflecken an wichtiger weggabelung, durchschlagen.  ein dorfpolizist half mir weiter, und so kam ich schneller als vermutet durch bis tarapoto, der letzten provinzhauptstadt vor amazonien. 

auch hier konnte ich alles problemlos organisieren und die reservierungen bestätigen, dann brachte mich ein kleinbus über die letzten andenausläufer, die "blauen berge", nach YURIMAGUAS am rio huallaga, einem der drei amazonas-quellflüsse (zusammen mit rio marañon und rio ucayali):  dieser letzte vorposten der zivilisation vor den weitgehend unerschlossenen amazonischen tieflandregionen wird unser eingangstor in die geschützte geheimnisvolle welt von jaguar und flussdelfin, indianischer geisterwelt und ständiger legendenbildung sein.. :)

freunde luden mich am osterwochenende auf ihre "chacra" ein, das ist quasi die datscha der einheimischen im wald, wo wir in der hängematte schaukelten bzw. am karfreitag leckeren frischen fisch zubereiteten und mit gebratenen bananen und anderen exotischen früchten (alles aus dem "garten") verspeisten.  man kann hier prima piranhas oder paiche angeln   - ersterer ist   - obwohl kaum mehr als handtellergroß -   ja bekannt und berüchigt genug, obwohl das zusammentreffen zwischen ihm und dem menschen im allgemeinen zu seinem nachteil ausgeht.  letzterer   - der paiche -  ist mit einer länge bis zu mehreren metern der größte (raub-) fisch im amazonas und schmeckt zu seinem pech ausnehmend gut  - glücklicherweise wird er inzwischen auch in zuchtbecken gezüchtet, es handelt sich also bei ihm nicht mehr um reinen (und damit gefährdeten) wildbestand. 

für unsere nord-peru-expedition ist nun also tatsächlich alles in trockenen tüchern: die pilotreise im september kann anlaufen und die leute hier freuen sich auf unsere gruppe, bringen wir doch durchaus etwas frischen wind in den hier äußerst geruhsamen tagesablauf ;)

heute verarbeite ich noch etwas meine gesammelten daten auf einer der verschiedenen veranda-ebenen (mit toller aussicht auf den fluss und den dahinter beginnenden wald) unseres hübschen und komfortablen hotels, welches wir uns nach dem urwald-drecking verdient haben werden  ;) 
bevor ich morgen die gewonnene zeit nutzen und mich entlang der amazonas-marginalen (unbefestigte piste zwischen anden-ostabfall und amazonas-tiefland) nach PUCALLPA durchschlagen will, der letzten stadt am rio ucayali vor der sogenannten "grünen hölle" (die in wahrheit eine grüne apotheke ist).  der rio ucayali ist übrigens die fortsetzung des rio urubamba, der in seinem oberlauf schon an machupicchu vorbei fließt.. 

von beiden städten   - yurimaguas am rio huallaga und pucallpa am rio ucayali -  kommt man mit einem flussschiff in mehrtägiger ruhiger fahrt entlang der urwaldsilhouette und einzelner indianderdörfer nach IQUITOS, der isolierten amazonischen stadt tief vor der brasilianischen grenze, die keine straßenverbindung nach außen besitzt, sondern ausschließlich per schiff oder flieger erreichbar ist. doch dieses abenteuer muss ich mir wohl für später aufbewahren  - dafür reicht die zeit dann doch nicht.. 

nun  - ich werde berichten.
bis dahin allen mitlesern frohe ostern und ganz liebe grüße aus der grünen lunge unseres planeten,
thomas

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Dienstag 10.April 2012        Urwald-Marginale nach Pucallpa:

liebe leute,

bin soeben nach langer reise (seit heute früh 3:30 uhr) in der urwaldstadt PUCALLPA am rio ucayali, einem der drei amazonas-quellflüsse, eingetroffen -  nach einer haarsträubenden fahrt entlang der amazonas-peripherie auf der sogn. "marginalen", einer nord-südlich verlaufenden schotterstrecke zwischen urwald und andengebirge.

zunächst mal:  pucallpa ist die stadt, wo der junge che (ernesto "che" guevara) in seinen studienjahren mit freund alberto 1953 auf einer leprastation gearbeitet hat  (siehe "the motorcycle diaries"  - wer mit mir schon in cuba war kennt die geschichte..) 

wg. haarsträubend:
die freundeskreisreisen lege ich ja immer in die gutwetterzeiten - 
bei den erkundungsreisen ist das nicht immer einzuhalten.  so bin ich hier zurzeit zum ende der regenzeit unterwegs. und heute regnete es mal wieder ganz gewaltig..!! 

d.h., die flüsse sind maximal voll und tosen reißend und schäumend die ufer entlang  - wir mussten heute aber einige flüsse queren. die fähren sind einfache kanus mit außenbordmotor. und wie kommt unser vollbesetzter (klein-)bus rüber ?  ganz einfach: passagiere in extra kanu, dann wird der bus auf 5 kanus, die nebeneinandergekoppelt und mit holzbohlen querverplankt sind, quer auf die bohlen draufgefahren und so ebenfalls transportiert.  dann mit maximaler motorkraft gegen die strömung den fluss queren und drüben wieder runter bugsieren  - interessantes unterfangen.. ;)

zwei mal wurden wir von bewaffneten um eine "freiwillige" spende gebeten: 
beim ersten mal hielten uns zwei junge männer mit gewehren (geschultert, nicht vorgehalten) an und baten höflich um eine kleine freiwillige spende für ihre gemeinde.  zu meiner verwunderung zückten alle insassen (der busfahrer vornweg) ihre geldbörsen und gaben jeweils einen sol (ca. 30 euro-cent).  da ich mich nicht rührte, sprach er mich noch mal extra an.  ich entgegenete: "mit der waffe in der hand ist das ja wohl eher ein überfall als eine freiwillige spende". der fahrer schaute etwas erschrocken, nickte mir aber bestätigend zu, so dass ich begriff, durchaus richtig zu liegen. der bewaffnete erschoss mich aber nicht sofort, sondern grinste nur und wandte sich zum gehen. da gab ich ihm den sol, schon weil ich in unserer schicksals-fahrgemeinschaft nicht die extrarolle spielen wollte.  er dankte höflich und zog sich zurück.

zwei kurven später rief der fahrer mit dem handy seine agentur an und berichtete den (relativ harmlosen) überfall (beute: knappe 3 euro).   (merke: es gibt hier erstaunlich viel cobertura / handyempfang..!!) 
zwei minuten später wurden wir von einer polizei-straßensperre angehalten. ich erwartete, dass der fahrer berichten würde, aber weder er noch die anderen fahrgäste sagten etwas.  klüger geworden, hielt ich mich an deren verhalten -  es würde schon einen grund geben. den ich auch gleich nach weiterfahrt erfuhr: hätten wir den überfall gemeldet, wäre auch zur sprache gekommen, dass wir alle einen sol bezahlt hatten.  das hätte man uns leicht als unterstützung einer  - wahlweise: kriminellen oder gar terroristischen - vereinigung auslegen und zu langwierigen scherereien führen können. ufff.. -  na gut: in dieser gegend bin ich mit der gruppe ja  nicht unterwegs..

als ein stück weiter die szene ein weiteres mal aufgeführt werden sollte (diesmal mit einer bewaffneten jungen frau plus jungem mann), gab unser fahrer diesmal gas und lies die beiden einfach stehen.. 

wo die straße exakt über einen grat führte mit abgründen zu beiden seiten (glücklicherweise nicht ganz senkrecht), hatte der vom regen aufgeweichte untergrund unter einem beladenen lkw nachgegeben und die ganze straße war abgerutscht:  der lkw lag nun ca. 20 meter unterhalb der straße kopf-voran in einem schlammtümpel, wo er von gebüsch und dem schlamm so sanft aufgefangen worden war, dass der fahrer sich unverletzt aus dem zerborstenen fenster hatte retten können.

als wir kamen, hatten bereits ein bagger und zwei weitere lkw begonnen, den verunglückten wagen mit stahlseilen und winde zu bergen. stück für stück wurde nachgefasst, und nach etwa einer stunde stand der ziemlich ramponierte (und zuvor entladene) lkw wieder auf der straße.  der bagger kippte noch die abbruchstelle weitgehend zu, dann konnten alle die üble stelle vorsichtig passieren und ihre reise fortsetzen..  (in der ganzen zeit hatte sich hinter uns kein einziger weiterer wagen gestaut -  soviel zum hiesigen verkehrsaufkommen.. ;)

allerdings ist es schon erschütternd zu sehen, wie viele straßenstücke abgebrochen sind und man um sie herumzirkeln muss, um nicht in den abgrund gerissen zu werden.  die vom regenzeitlichen wasserüberschuss aufgeweichten berge rutschen gerade an verbreiterten straßenstücken einfach ab, entweder drauf auf die straße oder drunter weg.. 

im als unsicher geltenden urwaldnest tingo maria wurden die fahrzeuge gewechselt, und es ging nun mit einem kombi-allrad statt kleinbus weiter. der wagen war wieder voll besetzt (vorher fährt er eh nicht ab), ein kleiner indianerjunge saß auf dem mittleren vorderen platz zwischen dem fahrer und mir. er schwatzte mir ganz vertrauensvoll die ohren ab und kuschelte sich ohne jede scheu an mich, als er einschlief. nicht ganz selbstveständlich, sind indianer doch im allgemeinen äußerst zurückhaltend:  seine junge mutter mit baby auf dem arm brauchte länger zum auftauen, aber das baby machte so viele lustige geräusche, wie ich sie noch von meiner tochter thabi kannte, als sie baby war, dass das eis bald geschmolzen war.. 

nach einer wirklich beeindruckenden randgebirgsfahrt tagsüber war es nun längst dunkel, als die familie kurz vor pucallpa in einem indianerdorf ausstieg, wo sie vom netten papa erwartet  wurden.  mich brachte der fahrer schließlich noch zu einem angemessenen hotel im zentrum der stadt, und nun ist es inzwischen mitternacht vorbei und ich werde wohl mal poofen gehen.. 

also bis auf weiteres,
ganz liebe grüße vom rauschenden rio ucayali,
thomas

 

Freitag  13.April 2012         in Lima zum kurzen Zwischenstopp:

liebe leute,

vorgestern abend flog ich mit einem buschflieger aus pucallpa/amazonien über die anden nach lima und bin froh, dass ich das gemacht habe, denn 20 stunden fahrzeit im bus mit open end, weil die straßen in den bergen immer noch (bzw. zunehmend) aus wettergründen gesperrt sind, wollte ich mir nicht mehr antun.. 
allerdings bessert sich das wetter zurzeit glücklicherweise wieder.  tut auch not, denn ab samstag bin ich wieder unterwegs in den bergen, mehr nach süden hin und rauf über AYACUCHO nach CUZCO. nur ganz kurz, um auch die verlängerungswoche in machupicchu für die septembergruppe klarzumachen. 

in ayacucho war ich noch nicht:  eine schöne, aber sehr abgelegene kolonialstadt in den anden, früher zentrum des sendero luminoso, des "leuchtenden pfads", einer guerillagruppe der 80'er jahre. immerhin hatten die einen politischen hintergrund und wollten das alte inka-reich wieder auferstehen lassen.

das betone ich, weil zurzeit in der südlichen selva (amazonien) grad eine geiselnahme (angeblich 36 bauern als geiseln) stattfindet von leuten, die sich "sendero luminoso" nennen (sich also in diese tradition stellen), und mehrere millionen dollar lösegeld verlangen. 1.600 elitesoldaten sind grad auf dem weg dorthin  - das wird wohl demnächst böse enden..  
allerdings handelt es sich diesmal wohl um sogn. "narcos" (= narcotraficantes: rauschgift-mafia), die ihre kokain-geschäfte durch die neue, relativ linke regierung von präsident ollanta humala gefährdet sehen (immerhin ein früherer militär und anti-terror-soldat).  

auch im nachbarland bolivien hat evo morales, der heutige indiander-präsident und frühere coca-bauern-gewerkschafter unter dem motto "coca sí - cocaína no" die rauschgiftmafia mit konsequenter verfolgung arg in bedrängnis gebracht (die UNO hat seine diesbzüglichen leistungen gerade lobend erwähnt), immerhin als erster bolivianischer präsident mit einigem erfolg - 
die früheren (weißen) rechten regierungen waren immer irgendwie mit der mafia verbandelt, obwohl sie - im gegensatz zu evo -  die DEA (amerikanische drogenbehörde) angeblich unterstützten. trotzdem werfen die amis jetzt ausgerechnet ihm (evo) eine angebliche nähe zur mafia vor, allein weil er die uralte tradition der indianer des coca-kauens für die indianer verteidigt.. (!!)
..die sind so ignorant, die amis, dass es immer wieder weh tut..!!!  :(

frage: "was ist schlimmer:  unwissenheit oder gleichgültigkeit" (original: ignorance or indifference)  -
richtige antwort:  "keine ahnung -  und is mir auch völlich egal.."   ;))

ja, und komisch by the way: 
ausgerechnet die rechte kolumbianische regierung - die letzte in der region, die noch mit der DEA zusammenarbeitet - kriegt ihr rauschgiftmafiaproblem trotz milliardenschwerer amerikanischer unterstützung ("plan colombia") partout nicht in den griff..    nachtigall..!!

heute freitag habe ich noch einige dinge hier in lima erledigt (unter anderem schuhe besohlen lassen ;) 
und werde mich also morgen samstag sehr früh wieder per bus in die hohen anden begeben. 
ich halte euch auf dem laufenden - 
bis dahin ganz liebe grüße von der sonnigen pazifikküste,
thomas

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Sonntag  15.April 2012     Ayacucho -
                               und etwas Geschichte.. ("Leuchtender Pfad" etc)

liebe leute,

nun bin ich also wieder oben in den anden und habe gerade einen schönen sonnigen nach-ostern-sonntag in der wirklich hübschen gebirgsstadt AYACUCHO verbracht: 

gestern samstag den ganzen tag fahrt erst an der küste entlang südwärts bis pisco, dann rauf gekurvt in die anden, über einen 4.000-meter-pass über die westkordillere und hinein ins ayacucho-tal.  am pass war alles weiß "verschneit" durch einen ordentlichen hagelschauer..

abends noch ein bummel über die plaza: man merkt gleich dass das nicht mehr die zurückgebliebene stadt von früher ist  - alles schön beleuchtet und geputzt. 
heute im sonntäglichen sonnenschein fanden an der plaza ständig prozessionen und paraden statt  - schüler in militäruniform marschierten im preußischen stechschritt (zuletzt gesehen bei DDR-militärparaden)  an der bürgermeistertribüne vorbei. die kleinen mädchen mit gefühl für den rhythmus im echt zackigen (nicht zickigen ;) gleichschritt;  die kleinen jungs eher als hoffnungslose chaostruppe alle durcheinander..

die stadt ist zumindest im zentrum heute vorbildlich restauriert und österlich herausgeputzt -  ein wahres koloniales schmuckstück.  und historisch gleich mehrfach von bedeutung:
früher die hauptstadt der huaris (oder waris), einer vorgängerkultur der inkas, die bereits straßen und mehrstöckige häuser bauten (ja: auch die inkas hatten vorgänger, auf denen sie aufbauten..), dann von den inkas übernommen und weiter ausgebaut, wurde schließlich die koloniale stadt von inkareich-zerstörer pizarro auf seinem zug nach cuzco "gegründet".

in der nähe liegt die pampa de quinoa: hier schlugen 300 jahre später die freiheitskämpfer 1824 unter josé de sucre die letzte und alles entscheidende schlacht gegen die spanischen truppen  - und gewannen sie trotz personeller unterlegenheit (6.000 zu 9.000 soldaten) und schlechterer ausgangsposition (sie unten, die spanier von oben kommend), mit nur einer kanone (gegen derer 14), also gegen jede wahrscheinlichkeit: mal abgesehen von der motivation wohl auch deshalb, weil die indianer der gegend ihnen mit 4.000 lamas zu hilfe kamen, denen sie mützen aufgesetzt hatten, so dass die spanier sie mit ihrem aufrechten gang - die körper vom hohen gras verdeckt - aus der ferne für zusätzliche aufständische truppen hielten. nach der kapitulation des vizekönigs zogen die spanier für immer ab aus ihren südamerikanischen kolonien..

zudem war ayacucho, wie neulich schon erwähnt, ausgangspunkt der maoistischen guerrillaorganisation sendero luminoso ("leuchtender pfad") der 1980'er und 90'er jahre:
ihr gründer abimael guzmán war als junger mann in den 60'er jahren im kulturrevolutionären china unterwegs gewesen und kam mit entsprechenden ideen später als philosophie-professor an die universität von ayacucho, wo er bald aus studenten den ersten revolutionären kader schmiedete und sich dem bewaffneten kampf gegen die damalige militärdiktatur verschrieb.

als die 1980 endete und wahlen anstanden, formten die fortschrittlichen kräfte den "linken block" -  nur sendero luminoso (sl) boykottierte die wahlen und wollte das system im bewaffneten kampf endgültig stürzen. ihre ersten aktionen war die besetzung von wahlbüros in der sierra (anden) und das verbrennen der wahlurnen.  die bevölkerung wurde mit vorgehaltener waffe auf den plazas der dörfer zusammengetrieben und zum kampf aufgefordert.  da sie den völlig verarmten (indianischen) bauern schutz vor der total korrupten lokalverwaltung versprachen, fanden sie anfänglich durchaus sympathie und unterstützung.

natürlich kam was kommen musste: militär wurde in die sierra nach ayacucho in marsch gesetzt, und die gingen mit den vermuteten sympathisanten nicht zimperlich um. ganze bauerndörfer wurden im verlauf der sogn. "säuberungen von subversiven elementen" ausgerottet. sl verlegte sich auf einen für guerrilla in lateinamerika einzigartigen gegenterror und brachte ihrerseits jeden um, der der kollaboration mit der regierung verdächtigt wurde. zwangsrekrutierungen fanden statt, sl säuberte derweil die dörfer und andenstädtchen von korrupten beamten, die vor der versammelten bewohnerschar auf den plazas öffentlich hingerichtet wurden. damals konnte man  - im gegensatz zu vorher und nachher -  abends und nachts sicher auf den straßen gehen, ohne sorge vor überfällen, weil sl jeden räuber und taschendieb augenblicklich hinrichtete. es gab definitiv keine korruption mehr -  und NIE hat sich sl mit geiselnahmen geld beschafft:  das wäre für sie unter korruption gelaufen (dazu unten mehr).  

unter dem nächsten diktator, dem japanischstämmigen alberto fujimori, der einen staatsstreich gegen seine eigene (noch frei gewählte) regierung unternahm und dann als unbeschränkter diktator mit geheimdienstunterstützung und ausufernder korrution weiter regierte, wurde sl schließlich durch einen totalen krieg mit zehntausenden von toten (hauptsächlich unter den generell des sympathisantentums verdächtigten indianern) zerschlagen, und guzman schließlich geschnappt -  er sitzt heute lebenslang hinter gittern.

ich hätte nun gedacht, dass man heute froh ist, diese geschichten hinter sich zu haben -  aber hier in ayacucho ist abimael guzman ein berühmter und durchaus anerkannter freiheitsheld, an der universität hängt sogar eine gedenkplakette für ihn.
mein studentischer taxifahrer, der mir all diese geschichten erzählte, während er mich auf einen aussichtspunkt fuhr, von dem ich bis zu den schlachtfeldern der pampa de quinoa schauen konnte, erzählte mit bemerkenswerter anerkennung, ja fast erfurcht von diesen zeiten. 

vielleicht erinnert sich noch jemand an die mehrwöchige japanische botschafts-besetzung 1996 in lima? 
das war nicht sl, sondern mrta:  movimiento revolucionario tupac amaru, nach dem inka-nachfahren tupac amaru genannt, der noch im 18.(!) jahrhundert beinahe die spanier aus dem land gekippt hätte (wären seine krieger nicht zur erntezeit zurück auf die felder gegangen) und dessen ideen maßgeblich zur französischen revolution beigetragen haben sollen (die legende sagt, dass er auf der plaza de armas in cuzco von den spaniern viergeteilt werden sollte, aber die pferde hätten es nicht geschafft, ihn zu zerreißen, so dass er schließlich mit dem schwert zerhackt wurde).

diese mrta-revolutionäre waren sehr viel mehr bei den indianern verwurzelt, weil sie sich ohne maoismus konkret für eine wiedererrichtung indianischer hoheitsrechte stark machten, und bei weitem nicht so gewalttätig wie sl:  auch bei der botschaftsbesetzung ließen sie von über 400 festgesetzten geiseln sofort alle frauen und irgendwie kranken frei, so dass "nur" noch 200 personen in der botschaft waren -  immerhin noch ein gutes pfand für erfolgversprechende verhandlungen (aus ihrer sicht).
von diesen 200 ließen sie in den folgenden wochen immer wieder größere kontingente frei, um guten willen zu demonstrieren, und wollten im gegenzug ihre kameraden frei gelassen sehen.

als noch 70 geiseln in der botschaft saßen, ließ fujimori den laden stürmen  - es gab ne menge tote, und alle geiselnehmer (alles studenten) wurden noch in der botschaft hingerichtet, obwohl sie sich augenblicklich ergeben hatten, um eben kein blutvergießen zu verursachen (auch wenn sie damit aus verhandlungstaktischen gründen natürlich stets gedroht hatten).
fujimori sitzt heute wg. korruption und massiver menschenrechtsvergehen während der diktatur eine 30-jährige gefängnisstrafe ab.

jetzt noch was aktuelles: 
neulich schon angesprochen, gibt es plötzlich sl-wiedergänger: die drogenmafia hatte vor ein paar tagen in der südlichen selva 36 (oder 40, je nach lesart) arbeiter einer umstrittenen gasförderanlage gefangen genommen und 10 millionen dollar lösegeld gefordert -  also nicht wirklich glaubhafte sl-tradition.
gestern wurde der spuk beendet mit einem großaufgebot militär und polizei, dabei mehrer tote auf beiden seiten, aber die überlebenden geiselnehmer leben auch jetzt noch.  keine kleinigkeit, diese aktion, sollte man denken -  wieso lese ich davon absolut NIX in spiegel-online ??  hörtet ihr in d-land je was davon ?? 

so, genug politische schnell-bildung   - vielen dank wenn ihr tatsächlich bis hierher mitgelesen habt..  ;)   
ich muss jetzt packen, denn heute abend geht mein bus nach cuzco.  wenn alles gut geht, komme ich dort morgen abend an..

also sonnige grüße noch aus ayacucho,
thomas

 

Dienstag 17.April 2012        Cusco:

liebe leute,

endlich in cusco:  wie schön ist es hier immer wieder..!!  :) 

die alte inkahauptstadt auf 3.300 meter höhe ist heute eine so schöne, irgendwie gemütliche stadt, mit vielen warmen cafés und interessanten läden, abends wunderschön beleuchtet. in den schmalen gassen schlendert man entlang kolonialer prachtbauten, erstellt auf den in einzigartiger technik spaltfrei zusammengefügten fundamenten alter inka-paläste. jedes fenster, jeder balkon  atmet geschichte.. 

fast 24 stunden dauerte die reise hier herauf: sonntag abend aus ayacucho abgefahren, erreichte der einfache rumpelnde bus auf abenteuerlich schmaler und buckliger piste früh morgens den abgelegenen hochgebirgsort andahuayllas, wo reisende nach cusco 3 stunden auf den folgebus warten mussten, während gegen 6 uhr die sonne aufging. 

weiter ging es bei fantastischer fernsicht über mehrere 4.000'er pässe und hinab in abgrundtiefe schluchten, die aufgeweichte strecke (asfalt gibt es in dieser andengegend nicht) mehrfach von erdrutschen unterbrochen, wo wir warten mussten, bis bagger die straße notdürftig frei geräumt hatten.  ein in enger kurve von der straße gefallender sattelzug musste auch erst mal so weit gesichert werden, dass man vorsichtig vorbei zirkeln konnte.  mehrfach auch militärische straßensperren, wo die ausweise aller fahrgäste kontrolliert wurden im gefolge der verfolgung der geiselnehmer, die zwei tage zuvor in der südlichen selva aufgerieben worden waren (s. vorangegangene rtb-berichte).

erst gegen abend einfahrt nach cusco:  ich machte mich sofort zu unserem hotel an der plaza de armas auf, wo man mich schon den ganzen tag erwartet hatte. den ganzen abend stellten wir das programm unserer september-nordperugruppe für die optionale verlängerungswoche nach machupicchu zusammen, aufbauend auf den erfahrungen der letzten jahre. 
und dann endlich ausschlafen..

heute noch etwas bummeln durch die altstadt: alles so vertraut und bekannt, das bunte inka-regenbogenbanner immer schön selbstbewusst und etwas aufmüpfig über dem rathaus wehend.  gleich geht es zum flughafen, um dann in einer guten stunde flug die langen 36 stunden busanfahrt wettzumachen.. ;)

mir bleiben in lima zwei tage, alles aufzuarbeiten, bevor ich donnerstag abend richtung cuba aufbrechen werde.  am samstag trifft die neue gruppe in havanna ein, die ich dort empfangen will :)

ganz liebe grüße noch aus den hohen anden, tief in der südlichen hemisphäre,
thomas

weiter s. Reisetagebuch Cuba 2012                                                                 nach oben

 

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